Was mich 2021 berührte
Als ob die heimtückische Corona-Pandemie seit zwei Jahren uns nicht schon genug Sorgen und Einschränkungen bereitet, bedroht uns persönlich auch noch die
Krebserkrankung meines Mannes: In regelmäßigen Intervallen muss er zur stationären Chemotherapie in die Klinik – eine Qual für meinen bewegungshungrigen Mann, an den „Infusions-Galgen“ gefesselt zu sein! Dazu noch die strikten Besuchsregeln: Nur draußen vor der Tür ist ein Zusammensein möglich; bei Regenwetter durften wir uns ausnahmsweise einmal im Eingangsbereich aufhalten. Das schmerzte zusätzlich.
Doch es gab auch Lichtblicke im Klinikalltag: Dazu gehörte in erster Linie das freundliche, stets zugewandte Pflegepersonal. Zum anderen treffen immer mal Leidensgenossen ein, mit denen man schon einmal das Krankenzimmer teilte, wie zum Beispiel der junge Mann, dem die Ärzte nur noch eine kurze Lebenszeit prognostiziert hatten.
Dieses Urteil hinderte ihn jedoch nicht, mit seiner Freundin Zukunftspläne zu schmieden und dank des digitalen Zeitalters mit aller Welt in Kontakt zu bleiben. Er rief mit dem Smartphone seinen besten Freund an – eine Freundschaft, die seit den Kindertagen bestand: „Erschrick nicht, wenn du mich gleich siehst, ich bin inzwischen völlig kahl“, warnte er ihn, bevor er die Kamera aktivierte.
„Oh“, sagte der Freund nach einer Schrecksekunde. „Moment mal, passt bei mir gerade ganz schlecht. Sei nicht sauer, ich rufe in einer halben Stunde zurück, o.k.?“
Er hielt Wort und rief zurück. Plötzlich begann der junge, sterbenskranke Zimmerkollege zu weinen. Der Freund hatte sich inzwischen den Drei-Tage-Bart abrasiert und den Kopf geschoren! Nun waren beide Freunde Glatzköpfe: „Beste Freunde sind auch in schlechten Zeiten solidarisch, o.k.?“, sagte er, und dann lachten sie unter Tränen, patschten sich auf die Glatzen und die glatten Wangen und lachten, lachten.
Astrid Rehberg