Auch marschieren will gelernt sein
In der letzten Ausgabe von „Meine Samtgemeinde“ hatten wir leider außer ein paar Neujahrsgrüßen und einem vorsichtigen Ausblick auf eine mögliche Generalversammlung nichts zu berichten. Hierzu gibt es leider noch nichts Neues, denn wir haben uns dazu entschieden, die Versammlung ausfallen zu lassen bzw. möglicherweise in den Sommer oder Herbst zu verschieben. Coronabedingt wäre dies im Ausnahmefall möglich, wie wir erfahren haben.
Da bei uns – wie bei vielen anderen Vereinen – momentan noch immer nicht allzu viel passiert, möchten wir euch mal wieder einen kleinen Einblick hinter die Kulissen bieten. Diesmal erzählen wir euch, wie bei uns die Formalausbildung läuft. Hierbei geht es mal nicht um die Musik, sondern darum, wie wir uns verhalten, damit das alles so gut und geordnet aussieht. Hierfür ist – wie beim Musizieren – viel Übung erforderlich. Hierfür sind unsere Formalausbilder zuständig.
Unsere Formalausbilder sind eine kleine Untergruppe unserer Ausbilder. Sie unterstützen unseren musikalischen Leiter Markus bei der Gestaltung der Übungsabende, vorrangig im Sommer.
Man muss hierfür nicht mal „normaler“ Ausbilder sein. Wer Lust am Marschieren hat, möglichst schon ein paar Jahre Erfahrung vorweisen kann und es natürlich auch selbst gut beherrscht, kann sich als Formalausbilder bei uns einbringen.
Im Sommer, wenn das Wetter gut ist, üben wir des Öfteren auf dem Schützenplatz oder einem Sportplatz, wo wir viel Platz haben. Diesen brauchen wir, um alle zusammen oder in kleinen Gruppen verschiedene Übungen durchzuführen, die uns dabei helfen sollen, einige grundlegende Elemente des Marschierens zu verinnerlichen. Damit wir über die Wintermonate nicht alles wieder vergessen, gehen wir manchmal auch für einen Tag in eine Sporthalle um unser Marschier-Training zu absolvieren.
Grundlage für das Marschieren bzw. die Formalausbildung allgemein sind zunächst die unterschiedlichen Kommandos, die in der Regel unser Stabführer Marco entweder mit dem Stab gibt oder uns zuruft. Wenn es losgehen soll, lässt Marco uns zunächst antreten. Hier hat er zwei verschiedenen Möglichkeiten:
Wenn wir direkt loslaufen wollen, gibt es das Kommando „Spielmannszug in Marschordnung antreten“. Dann stellt sich der ganze Zug entsprechend auf. In der ersten Reihe stehen immer drei Spielleute. Alle anderen bauen sich dahinter auf. Bei uns laufen vorneweg die Trommler, gefolgt vom Glockenspiel, dem Schlagzeug (Große Trommel und Becken) und den Flöten. Ganz hinten laufen dann noch bei Umzügen unsere Betreuer. Innerhalb der Instrumentengruppen wird nach Körpergröße sortiert. In anderen Vereinen gibt es da aber auch andere Reihenfolgen. Oftmals läuft z. B. das Schlagzeug ganz hinten.
Das andere mögliche Kommando lautet „Spielmannszug in Linie antreten“. Anders als in der Marschordnung bauen sich alle nicht hintereinander, sondern nebeneinander auf. Das machen wir dann, wenn wir z. B. zunächst im Stand spielen oder vor dem Abmarsch noch eine Rede gehalten wird. Bei Schützenfesten laufen auch häufig die Würdenträger, also Könige aber auch Vorstandsmitglieder der gastgebenden Vereine, einmal am ganzen Umzug vorbei um sich zu präsentieren. Auch dann stehen wir „in Linie“.
Wenn wir anschließend loslaufen wollen drehen wir uns zunächst 90 Grad links oder rechts, je nachdem, in welche Richtung wir laufen wollen. Hierfür gibt es die Kommandos „links um“ bzw. „rechts um“, die Marco aber auch mit seinem Stab anzeigen kann, falls wir gerade spielen.
Das Kommando zum loslaufen lautet dann „Im Gleichschritt Marsch“. Achtet doch beim nächsten Mal darauf: Wir laufen tatsächlich nicht alle durcheinander, sondern treten immer gleichzeitig mit dem gleichen Fuß auf (oder versuchen es zumindest), angefangen mit dem linken Fuß. Das ist der sogenannte Gleichschritt. Das ist aber gar nicht so einfach und erfordert auch eine Menge Übung. Wenn man das aber ein paar Jahre gemacht hat, geht einem das meistens auch in Fleisch und Blut über. Selbst wenn wir manchmal privat mit ein paar Spielleuten zusammen unterwegs sind, z. B. auf dem Pfingstmarkt in Neukloster, haben wir uns selbst schon dabei ertappt, wie wir alle „aus Versehen“ im Gleichschritt gelaufen sind. Das war dann sehr erheiternd, zeigt aber auch, wie effektiv jahrelanges Training sein kann.
Irgendwann sind wir dann am Ziel angekommen und wollen anhalten. Hierfür gibt es das Kommando „Abteilung halt“ und dann bleiben (hoffentlich) alle gleichzeitig stehen. Es sei denn, irgendjemand hat nicht aufgepasst. Dann kann es auch schon mal vorkommen, dass man der Person, die vor einem geht, hinten rein läuft. Wenn man dabei noch ein schweres Instrument trägt, kann es da auch schon mal schmerzhaft werden und zu blauen Flecken führen. Aber meistens passen alle gut auf, sodass nichts passiert.
Im Umzug kann es auch mal vorkommen, dass wir etwas langsamer oder auf der Stelle laufen müssen, weil es vor uns einen kleinen Stau gibt.
Auch kann es sein, dass die Straße z. B. durch geparkte Autos, etwas schmaler wird. Dann müssen wir uns verjüngen. Das hat aber nichts mit unserem Alter zu tun, sondern bedeutet, dass wir uns verkleinern und nicht mehr zu dritt nebeneinander laufen, sondern nur noch zu zweit. Wenn die schmale Stelle passiert ist, gibt es natürlich auch den Weg zurück von zwei auf drei Reihen. Für diese verschiedenen Formen des Marschierens gibt es ebenfalls entsprechende Kommandos, die Marco uns mit dem Stab anzeigt.
Ihr habt nun einen kleinen Überblick über unsere wichtigsten Kommandos bekommen und was sie bedeuten. Es gibt aber noch ein paar mehr. Für alle diese Kommandos gibt es vorgegebene Bewegungsabläufe, sozusagen kleinen Choreografien, wer wann was machen muss, damit alles gut und gleichmäßig aussieht. Die Aufgabe der Formalausbilder ist es nun, den anderen Spielleuten, und insbesondere unserem Nachwuchs, diese Abläufe zu erklären und einzuüben. Es kann auch mal vorkommen, dass ein neues Kommando benötigt wird oder bestehende Kommandos geändert bzw. vereinfacht oder verbessert werden sollen. Das ist zwar eher selten der Fall, aber wenn es dazu kommt, ist es Aufgabe der Formalausbilder, sich diese Choreografien auszudenken und Übungen zu entwickeln, um diese einzustudieren.
Manchmal müssen für diese Übungen z. B. auch kleine Parcours entwickelt und aufgebaut werden. Auch das machen unsere Formalausbilder. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wir mal wieder für einen Marschier-Wettkampf üben. Alle zwei Jahre findet z. B. die Niedersachsenmeisterschaft statt. Neben diversen Konzertklassen gibt es auch eine Marschklasse, in der wir gerne teilnehmen, sofern wir eine schlagkräftige Truppe auf die Beine stellen können. Hier treten verschiedene Vereine gegeneinander an und laufen nacheinander einen vorgegeben Parcours ab, in den verschiedene der o. g. Elemente, wie z. B. das Verjüngen oder auf der Stelle marschieren, einfließen. Dazu werden dann natürlich auch mehrere Stücke im Marsch gespielt. Nebenher laufen mehrere Wertungsrichter und bewerten sowohl die musikalischen also auch die formalen Aspekte der jeweiligen Darbietung. Hierfür vergeben sie hinterher Punkte und am Ende des Tages wird ein Sieger gekürt.
In der Vergangenheit waren wir hier durchaus erfolgreich und man kann sagen, dass sich die Arbeit der Formalausbilder, aber auch des gesamten Zuges, gelohnt hat. 2007 und 2011 sind wir jeweils Dritter bei der Landesmeisterschaft geworden. Auch bei so manchem Vereinsjubiläum finden solche Wettkämpfe statt. So haben wir auch in Buxtehude oder Elstorf sehr gute Platzierungen erreicht bzw. sogar gewonnen. Unser größter Erfolg war aber zweifellos der Gewinn der Niedersachsenmeisterschaft 2009. Alle, die damals dabei waren, kriegen noch heute eine Gänsehaut, wenn sie daran zurück denken oder die Bilder wieder sehen. 2013 in Harsefeld haben wir bei der Niedersachsenmeisterschaft übrigens ebenfalls den ersten Platz belegt. Wir dürfen uns jedoch nicht offiziell Niedersachsenmeister nennen, weil wir hierfür eine bestimmte Punktzahl hätten erreichen müssen, die wir leider knapp verpasst haben. Auch wenn diese Regelung für Unverständnis gesorgt hat, war es dennoch ein großartiger Erfolg, der ebenfalls auf Grundlage der Arbeit unserer Formalausbilder entstand.
Wenn ihr uns das nächste Mal bei einem Umzug begleitet, könnt ihr ja mal darauf achten, was Marco da vorne mit seinem Stab so macht und wie der Zug darauf reagiert. Vielleicht erkennt ihr ja das eine oder andere Kommando, vom dem ihr hier gelesen habt.