100 Jahre Max

Aus dem Leben eines

HUNDERTJÄHRIGEN (Löschfahrzeugs)

die Max

Ich bin 1923 in Ulm an der Donau, als Überlandlöschfahrzeug Typ „Bayern“ 1C-V95 mit 32 PS, auf die Welt gekommen.

Die Bezeichnung für die Feuerwehr war LF 10, weil ich 1000 Liter Wasser pro Minute fördern konnte. Das Geld war zu der Zeit fast wertlos, Naturalien waren die Währung. Der Landkreis Stade hatte mich bestellt.

Die Gemeinde Horneburg beschloss mich aufzunehmen. Der Preis betrug 1,4 Mil. RM. Die Bezahlung erfolgte mit 114 Zentner Roggen, der von Bürgermeister Löhden zur Verfügung gestellt wurde. Die 114 Zentner wurden nach Ulm geschickt und ich zum Landkreis. Dort hat meine neue Familie mich abgeholt. Ich war zu der Zeit ein hochmodernes Löschfahrzeug mit einem BMW Otto-Motor von 32 PS, Luftkammer-Reifen, Sitzplätzen für neun Einsatzkräfte und Platz für die Beladung mit den nötigen Gerätschaften.

Untergebracht wurde ich in einem Feuerwehrgerätehaus mit zwei Boxen direkt an der Kirche. Es war ein schöner Platz, nur das Glockengeläut störte, wenn man so vor sich hin dösen wollte.

1950 wurde ein neues Gerätehaus mit sechs Boxen gebaut. Bis dahin waren die Einsatzfahrzeuge an drei verschiedenen Stellen abgestellt. Jetzt waren alle in einem Gebäude mit einer Wohnung für den Gerätewart untergebracht. Es war schön, aber auch sehr eng.

Ich hatte von Anfang an ein aufregendes Leben, mit vielen Einsätzen in Horneburg und Umgebung, die ich gar nicht alle auf- zählen kann. In Erinnerung sind die Einsätze in Hamburg nach den Bombenangriffen und dem damit zusammenhängenden Feuersturm geblieben. Es war schrecklich. Die Hitze, die vielen Toten und die verbrannten Häuser. Der Straßenbelag brannte sogar. Das war schlecht für meine Bereifung, die sehr gelitten hat. Wir waren froh, als wir abgelöst wurden und wieder nach Horneburg zurück konnten. Der letzte große Einsatz war 1957 in Hedendorf. Ich durfte noch mal zeigen was ich konnte. Ich habe Wasser über lange Wegstrecke gefördert, stundenlang. Das war so anstrengend, dass mein Auspuff am Knie geglüht hat.

Es gab aber auch viele schöne Erlebnisse.

Die Horneburger Feuerwehr-Kameraden machten gerne Ausfahrten mit mir, um mit dem modernen Fahrzeug anzugeben. So auch an einem Blütensonntag. Wir sind bei starkem Ausflugsverkehr durch das Alte Land gefahren. Alle Warngeräte, Hupe mit Blasebalg, große Glocke, Rufen, wurden eingesetzt, um die Straße freizumachen.

Das hat für Aufregung gesorgt, und der Landrat des Landkreises hat sich beim Kreisbrandmeister über die Gefährlichkeit und Rücksichtslosigkeit dieses Verhaltens der Horneburger beschwert. Sie mussten beim Kreisbrandmeister antanzen und erhielten einen kräftigen Einlauf.

Wo wir auch auftauchten, waren wir die Stars.

Ein selbst fahrendes Löschfahrzeug, mit der Ausrüstung und den Einsatzmöglichkeiten wie ich sie hatte, war an der Unterelbe einmalig.

die Max
Die Max um 1924: Walter von Husen, Paul Weichert, Johannes Witz, Theo Reuter, Adolf Eggers, Heinrich Hartmann, W. Timmermann, Hermann Witz (Foto bei Somfleth Neubrück/Neuenkirchen)

Ich habe alle Einsätze bis in die 1957er Jahre mitgemacht. Danach wurde ich nicht mehr so gut behandelt. Ich wurde in einer Halle unter einer Plane abgestellt und träumte dort so vor mich hin.

Dann kam das Glück zurück. Die Gruppe, die schon immer für mich zuständig war, beschloss 1978 mich bis 1980, zum hundertjährigen Jubiläum der Wehr, zu renovieren und wieder einsatzfähig zu machen. Ich kam in eine Garage und wurde da total auseinander genommen. Alle Schrauben wurden gelöst, der Motor und die Pumpe wurden überholt. Sie haben alle Teile gesäubert und gestrichen. Durch Mitarbeiter von Airbus Hamburg hatten sie große Hilfe. Die Lehrwerkstatt hat eine neue Kühlwasserpumpe gebaut und die Lackierer haben mir ein neues Outfit verpasst. Nachdem die Arbeiten erledigt waren, kam der große Moment. Ich wurde vor die Tür geschoben und mein Motor wieder zum Leben erweckt und an der nächsten Wasserstelle die Pumpe geprüft.

Alles hat prima funktioniert. Ich war wieder einsatzbereit, wurde aber nicht wieder in den Einsatzbetrieb aufgenommen. Meine Aufgabe war nun auf Feuerwehrveranstaltungen als Ausstellungsstück zu glänzen, und für Horneburg zu werben.

So hat meine Besatzung mich eines Tages auf einen LKW verladen und ist mit mir nach Neumarkt in Österreich gefahren. Da war ich natürlich wieder der Star. Ich durfte zeigen was ich konnte.

Es war ein schönes Feuerwehrfest und die Vorführungen kamen sehr gut an.

Durch das Auftreten bei vielen Veranstaltungen wurde ich immer bekannter, und das weckte Begehrlichkeiten.

So meldete sich ein Oldtimer-Sammler, der in Nottensdorf ein Museum aufmachen wollte. Er schlug vor, mich dort mit auszustellen. Meine Familie fand den Vorschlag nicht schlecht und stimmte zu. Nach einer kurzen Zeit löste er das Museum auf, zog mit allen Fahrzeugen ab und nahm mich mit. Die Gemeinde hatte aber durch einen Vertrag sichergestellt, dass ich nur eine Leihgabe war, er hatte mich quasi gestohlen. Die Verwaltung hat schnell reagiert und mich zurückgefordert, unter Androhung einer Anzeige. Nach einigen Tagen war ich wieder zu Hause.

1986 war meine Bereifung so schlecht geworden, dass sie erneuert werden musste. Meine Betreuer wussten wie immer Rat und machten eine Firma in Bayern ausfindig, die solche Reifen noch herstellte. Meine Räder wurden verpackt, nach Bayern geschickt und kamen mit neuer Bereifung zurück. Das ergab ein ganz neues Fahrgefühl.

Einen weiteren Auftritt hatte ich in Hannover. Dort war eine Ausstellung von Feuerwehrfahrzeugen und Gerätschaften auf Bundesebene mit sehr viel Publikum, sogar aus dem Ausland. Bei mir war immer Betrieb und wir machten auch kleine Rundfahrten.

Es kam sogar ein Amerikaner bei uns vorbei. Der war so begeistert, dass er mich kaufen wollte. Er bot unserem Gemeindebrandmeister eine sehr hohe Summe. Ich bekam es mit der Angst, ich wollte in Horneburg bleiben. Meine Angst war aber umsonst, denn ich gehörte der Gemeinde und konnte nicht verkauft werden. Der Gemeindebrandmeister schlug vor, dass wir nach Amerika kommen würden, wenn er die Überfahrt bezahlt. Wir könnten dann an der Steubenparade teilnehmen. Das wollte er aber nicht.

Ich hatte sogar einen Auftritt im Fernsehen. Michael Schanze hat uns zu der Sendung „Eins, Zwei oder Drei“ in Lokstedt in die ARD-Studios eingeladen. Es war ein Ratespiel mit drei Mannschaften. Ich glaube, meine Mannschaft hat das nur mitgemacht, weil es was zum Abstauben gab. Wir haben einen Satz Martinshörner mit nach Haus gebracht.

Einige Zeit später bekam unser Gemeindebrandmeister ein Paket von der ARD. Der Inhalt war die Halterung für das Martinshorn, mit der Begründung, da wir das Horn mitgenommen hätten, können sie mit der Halterung auch nichts mehr anfangen.

Ein zweiter Auftritt fand in Frankfurt statt. Die Vereinigung der Speditionsunternehmen hatte ein Treffen in Frankfurt und hatte alte LKW als Ausschmückung eingeladen, unter anderem auch mich. Ich wurde mit einem Fahrzeugtransporter abgeholt, und auch wieder zurückgebracht. Meine Besatzung kam später nach.

In Frankfurt wurden alle Oldies am Römer ausgestellt und von vielen Menschen besichtigt. Wir wollten gerne die Berufsfeuerwehr besuchen, um hinzufinden half die Polizei. Zwei Kradfahrer fuhren vorweg und wir kamen gut an. Auf dem Hof der Feuerwache haben wir uns mit einer Fehlzündung angemeldet. Nach dem Knall hingen sehr viele Feuerwehrleute aus den Fenstern und kamen dann zu uns. Wir hatten viel Spaß. Einer war dabei, den kannten wir noch von dem Auftritt bei Michael Schanze.

Unser Gemeindebrandmeister war auch mit und bewachte mich. Wir sind mal bei einer Ausstellung beklaut worden. Ein altes wertvolles Strahlrohr wurde entwendet.

2022 bekam ich eine neue Unterkunft mit den Einsatzfahrzeugen zusammen. Das war auch für mich eine große Freude, wie für uns alle. Wir haben viel Platz und unsere Mannschaft auch. Sogar die alte Handdruckspritze und der Kübel, die mit mir zusammen von den Kammeraden gepflegt werden, haben einen guten Platz.

Ich kann nicht garantieren, dass alle Ereignisse, die ich hier beschreibe, in der richtigen Reihenfolge von mir erzählt wurden, aber man sollte berücksichtigen, dass dies von einem Hundertjährigen aufgeschrieben wurde, und der darf sich schon mal irren.

TECHNISCHE DATEN „MAX“
(erste selbstfahrende Motorspritze im Landkreis Stade)
HerstellerMagirus
AusführungÜberlandspritze Modell Bayern
Typ1CV95
Baujahr1923
Tag der ersten Zulassung18. April 1923
MotorOttomotor
Hubraum4.224 cm3
Leistung32 PS
Pumpenleistung1.000 Liter/min
Höchstgeschwindigkeitca. 55 km/h
Kaufpreis1,4 Mill. RM
Bezahlt durch114 Ztr. Roggen (lt. Niederschrift durch H. A. Heydrich KBM a. D. in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der FF Horneburg)
Finanziertje zur Hälfte durch den Flecken Horneburg und dem Landkreis Stade
Öffentliche Vorstellung17. Juni 1923
Letzter größerer Einsatz20.03.1955, Feuer in Hedendorf, mehrere Stunden wurde Wasser gefördert.
Aus aktivem Dienstca. 1957
Bald darauf ins Automuseum Nottensdorf. Während dessen Konkurs nach Horneburg zurückgeholt und in einer Scheune untergestellt.
RenovierungenGrundinstandsetzung 1978 bis 1980 zum 100-jährigen durch Mitglieder der FF Horneburg, damals Gruppe LF 8 II heute Rüstwagen.
Neue Vollgummireifen 1986. Die originalen Luftkammerreifen waren durch die Hitzeeinwirkung während des Löscheinsatzes beim Feuersturm in Hamburg nach den Luftangriffen porös geworden.
Neulackierung im Feb. 2008 durch Fa. Airbus in Finkenwerder.

Fest Programm der Max
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